Rezension: Gunda Frey - Kindern geben, was sie brauchen
Klappentext:
Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Gunda Frey erklärt, wie die Welt von Kindern funktioniert und welche Rolle wir Erwachsenen darin spielen. Sie will stärken, Vorurteile nehmen und eine neue Blickrichtung ermöglichen. Im Fokus stehen dabei die Welt der Gefühle und Bedürfnisse und der gesunde Umgang mit ihnen. Denn Frey ist überzeugt: »Kinder entwickeln Störungen, weil sie in ihrer Entwicklung gestört werden«. Sie geht diesen Störungen auf den Grund, vermittelt Hintergrundwissen und bietet Lösungsansätze. Die Autorin hat kein geringeres Ziel, als ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Bedürfnisse unserer Kinder zu schaffen und dass am Ende jeder sagen kann: »Das Leben mit Kindern ist leicht und macht Spaß!«
meine Meinung:
Gunda Frey eröffnet das Buch mit starkem Fokus auf die eigene Person. Das prägt den Einstieg und verschiebt den Fokus, bevor sie zum Kern kommt. Erst danach rückt sie die strukturellen Fehlentwicklungen des Schulsystems in den Vordergrund. Ihre Kritik ist zutreffend: Lehrkräfte und Eltern erkennen die Defizite längst, doch zentrale Vorgaben verhindern substanzielle Veränderungen. Der Handlungsspielraum reduziert sich auf minimale Anpassungen im Unterricht, während grundlegende Reformen ausbleiben. So entsteht eine gewisse Ohnmacht gegenüber den Rahmenbedingungen.
Klarer wird der Text, sobald Frey die Wirkung nonverbaler und unterschwelliger Botschaften auf Kinder beschreibt. Der Satz „Wir senden Signale, immer“ (65%) wirkt, weil er den blinden Fleck der Erwachsenen trifft. Er zeigt die Lücke zwischen Erwachsenenwahrnehmung und kindlichem Erleben. Ihr Beispiel aus dem Alltag verdeutlicht, wie stark Kinder auf implizite Bedeutungen reagieren. Die Distanz zwischen Absicht und Wirkung zwingt zu präzisem Beobachten und korrigierendem Verhalten.
Frey arbeitet stark mit Fallbeispielen aus Familie und Praxis. Das gibt Nähe, aber kein Werkzeug. Fachfremde Lesende könnten hier Halt erwarten, bekommen aber wenig Struktur für konkrete Veränderungen. Besonders fehlt der Blick auf Familien unter Zeitdruck, auf Alleinerziehende oder Eltern, die stark auf Bildungsinstitutionen angewiesen sind. Die Lebensrealität wirkt ausgeblendet.
Obwohl Frey ankündigt, auf Fachterminologie zu verzichten, greift sie doch regelmäßig auf Begriffe zurück, die nicht definiert werden. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen Anspruch und Umsetzung. Die Sprache bleibt emotional und appellativ. Das erzeugt Intensität, aber keine analytische Schärfe. Für mich als Leserin war das wirksam, weil es zu Pause und Reflexion zwingt. Gleichzeitig fällt der begrenzte Nutzwert auf.
Ihr zentrales Muster ist der Ruf nach konsequenter Selbstreflexion der Erwachsenen. Das ist psychologisch nachvollziehbar, aber in der Realität begrenzt tragfähig. Frey konstruiert ein Modell, in dem Erwachsene stets reguliert, präsent und reflektiert agieren. Stress, finanzielle Belastung oder institutionelle Zwänge tauchen kaum auf. Dadurch entsteht ein theoretisches Ideal, das reale Umstände ignoriert und Schuldgefühle begünstigt. Die fehlende Einbettung in sozialpsychologische Zusammenhänge schwächt die praktische Anwendbarkeit.
Positiv bleibt der klare Appell an emotionale Verantwortung und die verständliche Vermittlung psychologischer Grundgedanken, was gerade für unerfahrene Eltern nutzbar ist. Fachlich betrachtet bleibt der Text jedoch oberflächlich, terminologisch ungenau und gesellschaftlich konservativ.
Hinzu kommen handwerkliche Defizite. Stellen wie „Männer haben einen Penis und Frauen eine Vagina oder Scheide. Männer und Frauen schlafen miteinander und haben so Sex, […]“ (81%) zeigen ein heteronormatives Weltbild und ein Lektorat, das grobe Vereinfachungen nicht korrigiert. Weitere Fehler wie „Bespreche […]“ wirken wie Durchrutscher. Für ein Buch dieser Reichweite ist das unzureichend.
Der Text transportiert klare Leitgedanken zu Perspektivwechsel, Leistungsdruck Beziehungsgestaltung und Selbstabgrenzung. Sie zeigen, was Frey erreichen will: Sensibilisieren, wachrütteln, zum Umdenken animieren. Das gelingt auf der emotionalen Ebene, nicht auf der analytischen. Das Resultat ist ein engagierter, aber einseitiger Appell, der ohne strukturelle Einbindung und ohne tragfähiges Handwerkszeug stehen bleibt.
©2025 Mademoiselle Cake
Zitate:
»Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Respekt vor der Individualität und den Bedürfnissen von Kindern.« (1%)
»Warum werden in den meisten Schulen schlechte Leistungen bewertet? Es wird benotet, was Kinder nicht können, aber ihre Stärken werden nicht gestärkt. Schule erzeugt DRuck auf verschiedenen Ebenen: […]« (7%)
»Aus diesem Grund habe ich dieses Buch geschrieben: In der Hoffnung, dass sich viele Menschen dazu herausfordern lassen, die Perspektive zu wechseln und wieder mit den Augen der Kinder sehen lernen wollen.« (10%)
»Ich habe dich lieb, immer, und du bist großartig. Aber dein Verhalten kann ich gerade nicht tolerieren.« (28%)
»Du bist nicht dein Kind und dein Kind ist nicht du« (33%)
»Mit ihrem Sein spiegeln Kindern das unsere.« (34%)
buchige Daten:
Titel: Kindern geben, was sie brauchenUntertitel: Wie sich Kinder frei und selbstbewusst entwickelnText: Gunda FreyVerlag: KöselErsterscheinung: 2020Genre: RatgeberMedium: eBookRezension vom: 07.11.25
Titel: Kindern geben, was sie brauchen
Untertitel: Wie sich Kinder frei und selbstbewusst entwickeln
Text: Gunda Frey
Verlag: Kösel
Ersterscheinung: 2020
Genre: Ratgeber
Medium: eBook
Rezension vom: 07.11.25

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