Rezension: Claudia Filker - Als Leo ein Baby bekam
Klappentext:
Leo? Das ist doch ein Jungenname! Und ein Junge kann gar keine Kinder kriegen!
Klar. Natürlich bekommt Leos Mutter das Baby. Aber immerhin wird aus Leo, der immer der Kleine war, plötzlich ein großer Bruder. „Wie konnte denn das passieren?", fragt sich da nicht nur Tante Lieschen...
Ein Aufklärungsbuch, das erzählt und informiert, mit einem Sachteil für alle Kinder, die noch mehr wissen wollen.
meine Meinung:
„Als Leo ein Baby bekam“ von Claudia Filker ist ein Kinderbuch, welches ich mit dem Anspruch zur Hand nahm, frühe Aufklärung kindgerecht zu vermitteln.
Inhaltlich überzeugt das Buch an vielen Stellen durch klare Haltung. Besonders stark ist die Szene, in der Leo von seinen Eltern vermittelt bekommt, dass niemand ihn küssen oder berühren darf, wenn er das nicht möchte. Diese Aussage ist eindeutig, stärkend und ohne Relativierung formuliert. Auch der Umgang mit übergriffigen Kommentaren von außen wird konsequent gezeigt. Als andere sich zur erneuten Schwangerschaft ungefragt äußern und die Wohnsituation kommentieren, reagiert der Vater ruhig und bestimmt. Das ist ein realistisches und hilfreiches Vorbild für Kinder wie Erwachsene.
Ähnlich klar positionieren sich die Eltern, als die Großmutter Zweifel äußert, ob Leo für Informationen rund um die Schwangerschaft nicht noch zu jung sei. Die Entscheidung gegen beschönigende Erklärungen und Fantasiegeschichten wie Klapperstörche wird offen vertreten. Aufklärung wird hier nicht versteckt, sondern als Teil einer ehrlichen Eltern-Kind-Beziehung verstanden. Leos Eltern handeln sichtbar als Einheit und stehen auch gegenüber Großeltern und Verwandtschaft geschlossen hinter ihrem Sohn. Diese Konsequenz vermittelt Kindern Sicherheit und macht familiäre Grenzen deutlich.
Auch der Umgang mit Alltagschaos wird realistisch und konstruktiv dargestellt. Unordnung wird nicht dramatisiert, gleichzeitig bleibt die Erwartung bestehen, dass jedes Familienmitglied Verantwortung übernimmt. Zusammenarbeit wird nicht moralisch überhöht, sondern als pragmatische Grundlage für gemeinsame Zeit gezeigt.
Kritisch sehe ich die explizite Beschreibung der Zeugung im laufenden Text, in der der Vater sehr konkret benennt, wie ein Baby entsteht. „[…] und ich gehe mit meinem Penis in Mamas Scheide, wenn wir es beide wollen.“ (S. 30) Diese Offenheit ist im Anhang, wo das Thema erklärend eingeordnet wird, stimmig. Im Haupttext empfinde ich sie jedoch als zu direkt, weil Familien sehr unterschiedliche Grenzen und Gesprächskulturen haben.
Der verwendete Begriff „Scheide“ für Vagina wirkt aus heutiger Perspektive veraltet. Angesichts des Erscheinungsjahres 1997 und der Tatsache, dass das Buch nie überarbeitet wurde, ist das für mich nachvollziehbar und kein gravierender Kritikpunkt.
Die Illustrationen wirken für die angegebene Altersgruppe eher knapp. Mehrere Seiten kommen ganz ohne Zeichnungen aus, andere bleiben sehr reduziert und detailarm. Dadurch fehlt ein visueller Anreiz zum längeren Verweilen.
Insgesamt ist das Buch solide und wurde von meiner Siebenjährigen überwiegend positiv aufgenommen. Mit sprachlichen Anpassungen, einer behutsameren Platzierung expliziter Inhalte und einer zeitgemäßeren Illustration wäre es auch heute noch sehr gut als unterstützendes Buch zur kindlichen Aufklärung geeignet, selbst wenn dieses Thema nicht im Zentrum der Geschichte steht.
©2025 Mademoiselle Cake
buchige Daten:
Titel: Als Leo ein Baby bekam
Text: Claudia Filker
Illustrationen: Ingrid & Dieter Schubert
Verlag: oncken
Ersterscheinung: 1997
Genre: Bilderbuch
Altersempfehlung: ab 5
Medium: Hardcover
Rezension vom: 24.12.25
