📚 Kathi & Zwerghuhn stellen vor: Anna und der Schwalbenmann



Letzte Woche hat euch Gisela 'ein Hammer Buch' vorgestellt. In Woche 43 unseres Projekts 'vergessene Schätze' stellen euch Kathi & Zwerghuhn von Lesendes Federvieh erneut einen ihrer Schätze vor:
Zusammenfassung:

1939, Krakau: Anna ist gerade einmal sieben Jahre alt, als die Deutschen ihren Vater, einen jüdischen Intellektuellen mitnehmen. Das junge Mädchen versteht nicht aus welchem Grund, sie versteht nur, dass sie nun alleine ist. Auf ihrer Suche nach einer Unterkunft bei Bekannten trifft sie den Schwalbenmann. Der große, hagere Mann ist geheimnisvoll, charismatisch, unglaublich klug und spricht faszinierend viele Sprachen, was Anna an ihren verschwundenen Vater erinnert. Bei ihrer ersten Begegnung imitiert der Unbekannte Vogellaute und lockt damit eine Schwalbe für Anna an. Von aufkeimender Hoffnung geleitet, folgt Anna dem Schwalbenmann auf seinem Weg und schließt sich dem Überlebenskünstler an. Er zeigt ihr, wie man von den Städten fernbleibt, sich im Wald ernährt und vor allen versteckt, um in einer Welt voller tödlicher Feindseligkeit am Leben zu bleiben. Doch in einer Welt, die am Abgrund steht, kann alles gefährlich werden, ein falscher Blick oder ein dummes Wort kann den Tod besiegeln und auch der Schwalbenmann selbst kann zu einer tödlichen Gefahr werden.



Kathis Meinung:

"Anna und der Schwalbenmann" ist einer von vielen Romanen über die Zeit des Nationalsozialismus und doch so anders. Es ist ziemlich rätselhaft und trotz des schwierigen Themas ein wunderschönes Werk, das man gelesen haben muss, weshalb es von mir fünf Eier bekommt. Das Buch bringt einen zum Lachen und zum Weinen, man fiebert mit Anna und ihrem Begleiter mit und folgt dem Verlauf der Geschichte wie einem rauschenden Fluss. Zunächst plätschert dieser leise und ruhig dahin, um einige Meter weiter zu einem gewaltigen Strom anzuschwellen und alles mit sich zu reißen, was in nächster Nähe steht. Genauso verhält es sich mit Annas Reise durch die Wälder Polens auf der Flucht vor dem zweiten Weltkrieg. Gemeinsam mit dem geheimnisvollen Schwalbenmann, den sie zugleich fürchtet und wie einen Vater liebt, durchquert sie das ganze Land und trifft dort Freunde und Feinde, wobei sie letztere mehrmals mit gewitzten Tricks überlisten. Doch ihr neues Leben ist anstrengend und nicht nur von schönen Erlebnissen geprägt, denn Anna muss viele schlimme Dinge mit ansehen und der ohnehin wortkarge Schwalbenmann spricht teilweise tagelang kein einziges Wort. Schließlich treffen die beiden Reisenden auf den liebenswerten und lebenslustigen Reb Hirschl, einen Juden, der dem Wodka sehr zugeneigt ist und Klarinette spielt. Von nun an lernt Anna die Welt nicht nur durch die Augen des Schwalbenmanns, dessen wahre Identität bis zum Ende des Buches ungeklärt bleibt und sich nur durch dezente Andeutungen erahnen lässt, sondern auch durch die des Juden kennen. Doch eines Tages verändert sich der Schwalbenmann und wird zu einer unkalkulierbaren Gefahr. Nachdem Anna, die zu Beginn der Geschichte ein kluges aber dennoch sehr kindliches Mädchen war, nun die einzige Konstante in ihrem Leben verloren hat, muss sie schnell erwachsen werden, um sich und den Schwalbenmann zu retten. Dieses Buch zeichnet sich durch die fesselnde Geschichte und die ausdrucksstarken Charaktere aus, doch das Highlight ist unumstritten die einzigartige Sprache. Gavriel Savit schafft es mit wenigen Worten eine Atmosphäre zu schaffen, die einen tief berührt und die Gefühle der fliehenden Anna nachempfinden lässt. Seine Erzählweise ist so literarisch, poetisch, sanft und doch auf eine gewisse Weise schmerzhaft ehrlich. Folgender Textausschnitt zeigt die einmalige Art zu Erzählen sehr deutlich und hat mich tief berührt: "Enttäuschung war schwer, aber sie ließ sich in einen Koffer packen – sie hatte gerade Kanten und runde Ecken und passte noch in den letzten Winkel. Bei Hoffnung war es ähnlich. Doch die Mischung von beiden war weniger handlich – sie war sperrig und unförmig und trotzdem bleischwer. Die Mischung von beiden war viel zu zerbrechlich, um sie einzupacken, sie musste in den Händen getragen werden." (S. 262 f.) "Anna und der Schwalbenmann" ist ein wunderbares Buch gegen das Vergessen ohne dabei mit erhobenem Finger auf die Leser einzuwirken. Es zeigt, dass es auch in den dunkelsten Momenten des Lebens Lichter gibt, die Hoffnung und Freude bringen. Dieses Werk kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen, denn es besticht mit charismatischen Charakteren, einzigartiger Erzählweise und einer grandiosen Geschichte.

©2016



Meinungen von anderen Lesern:




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