Rezension: Anna Seidl - Es wird keine Helden geben

Klappentext:

Berührend, fesselnd, unfassbar: Wenn nichts mehr ist, wie es war. Kurz, nachdem es zur Pause geläutet hat, hört Miriam einen Schuss. Zunächst versteht niemand, was eigentlich passiert ist, aber dann herrschen Chaos und nackte Angst. Matias, ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Auch Miriams Freund Tobi wird tödlich getroffen. Miriam überlebt - aber sie fragt sich, ob das Leben ohne Tobi und mit den ständig wiederkehrenden Albträumen überhaupt noch einen Sinn hat. Waren sie und ihre Mitschüler Schuld an der Katastrophe?

meine Meinung:

„Es wird keine Helden geben“, was bei meiner Aktion „vergessene Schätze“ Zwerghuhn damals vorgestellt hatte, ist schon das zweite Jugenddrama unter meinen Büchern, welches einen Amoklauf zum Thema hat. 2013 las ich bereits „Klassenziel“.

Schon bei den ersten Zeilen wurde ich direkt ins Jahr 2002 katapultiert. Der Amoklauf in Erfurt wird wahrscheinlich nie aus meinem Gedächtnis verschwinden. Ich selbst war damals auf einem Gymnasium, 60km entfernt. Die Angst griff um uns, obwohl wir nicht unmittelbar betroffen waren. Heute spüre ich die Angst noch intensiver, denn ab September wird mein eigenes Kind auf eine große Schule gehen …

Die Geschichte wird aus Miriams Sicht erzählt. Somit haben wir ein Opfer, welches hautnah dabei war.
Die Autorin schildert den Weg während des Amoklaufs und ganz ausführlich die Zeit danach. Oft gibt es zudem Rückblenden in das Leben vor der Tat.

Die emotionale Ebene von Miriam hat Anna Seidl gut eingefangen. Zwar konnte ich nicht wirklich mit ihr mitleiden, doch das lag eben daran, wie sie sich früher benommen hat. Ich kann ihr kein Mitleid entgegenbringen, weil ich sie vielmehr für ihre Fehler hasse. Sie und ihre Freund*innen haben sich benommen wie der letzte Dreck! Mobbing ist einfach nie ok!

»All diese Dinge bereue ich erst jetzt, wo es zu spät ist, sie noch zu ändern.
Ich werde damit leben müssen. Für den Rest meines Lebens.« (S. 80)

Ja, verdammt! Und es ist richtig so in meinen Augen. Man kann sich mal daneben benehmen, aber dann sollte es auch wieder gut sein und nicht das Leben eines anderen Menschen zerstören!
Und trotzdem möchte ich den Amoklauf nicht schönreden oder gar gutheißen, denn:

»Das Leben ist eine zerbrechliche, kurze Sache. Jeder lebt nur ein einziges Mal.
Jeder ist etwas Besonderes. Und deshalb zerstört man nicht nur einen Menschen, sondern eine ganze Welt.
Deshalb hat niemand das Recht, eine Waffe auf dich zu richten. Niemals.« (S. 205)

Das ist dann auch etwas gewesen, was mich arg gestört hat: die Stereotypen. Miriam und ihre Freund*innen waren top, Matias hingegen fett, unbeliebt, ein Opfer.

»Ich habe ein schönes Leben. Bin beliebt, habe den perfekten Freund,
die tollste beste Freundin der Welt. Ich habe keine Mutter, die Stress macht wie Joannes.
Ich fühle mich einfach wunderbar und zeige das auch allen.« (S. 96)

Auch Miriams früheres Leben stößt bei mir eher auf Unverständnis. Sie war bereits früh (mit 14?) das erste Mal besoffen. Und auch die Jungfräulichkeit ist in ihrem Alter ein großes Problem. Ich finde dies sehr verantwortungslos in einem Jugendbuch, denn das setzt Lesende enorm unter Druck, obwohl es das nicht sollte.

Gut dargestellt wurden die unterschiedlichen Auswirkungen des Amoklaufs auf die unterschiedlichen Personen. Manche haben schnell „zurück“ gefunden, manche nie wieder. Obwohl mich Miriam selbst emotional nicht wirklich berühren konnte, hat es die Autorin mit einer Szene jedoch geschafft. Und diese nehme ich ihr auch ab.

Da das Attentat selbst nur am Anfang detailliert erwähnt wird, sind die Ursachen für Miriams emotionale Empfindungen leicht austauschbar. Es hätte ebenso ein Unfall mit Todesfolge oder dergleichen sein können.

Das Ende fand ich dann zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Vielleicht braucht man ein Happy End nach einer solch schweren Kost, doch dieses hier ist einfach nur unglaubwürdig.

Mich persönlich hat der Roman wenig abholen können, doch ich denke, als Klassenlektüre würde er so manchen die Augen öffnen.

©2024 Mademoiselle Cake
 

weitere Zitate:

»Wenn die Stille dir das Leben rettet, definierst du neu, was laut und was leise ist.« (S. 11)

»Denn das Leben ist es, wovor wir Angst haben sollten.
Während der Tod die Erlösung ist, zwingt uns das Leben immer wieder in die Knie.« (S. 28)

buchige Daten:

Titel: Es wird keine Helden geben
Text: Anna Seidl
Verlag: Oetinger
Ersterscheinung: 2014
Genre: Jugenddrama
Altersempfehlung: ab 14
Medium: eBook
Rezension vom: 21.08.24

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