Rezension: Jens Thiele - Jo im roten Kleid

Klappentext:

Ein Junge in einem roten Kleid? Rot und mit einem tiefen Ausschnitt?
Jo's Geschichte ist die eines neuen Helden, der viel Mut aufbringt, um er selbst zu sein.

meine Meinung:

„Jo im roten Kleid“ von Jens Thiele hat mich tief getroffen.

Der Anfang des Buches hat mir nicht so sehr gefallen. Er zeigt eine Grundhaltung, die man bei Kindern selten so offen gespiegelt sieht: radikale Abwehr. Der Junge reagiert auf jeden Vorschlag seines Gegenübers mit Ablehnung, Spott oder Abwertung. Erinnerungen sind langweilig, Spiel wird zum sicheren Verlust erklärt, kreative Ideen werden im Keim erstickt, das rote Kleid sofort ins Lächerliche gezogen. Diese permanente Negativität wirkt nicht frech oder witzig, sondern müde und hart. Sie vermittelt das Gefühl, dass sein Gegenüber niemals jemals genügen kann. Das macht traurig, weil es nahelegt, dass der Junge extrem hohe Erwartungen an andere richtet und womöglich auch an sich selbst.

Der erwachsene Mann fungiert dabei weniger als klassischer Ratgeber, sondern eher als Spiegel der Realität. Er spricht aus, dass ein Junge im roten Kleid mit Widerstand rechnen muss, mit Ablehnung, mit Angriffen. Gleichzeitig benennt er, dass es Menschen geben wird, die akzeptieren, die bleiben, die stützen. Diese Ambivalenz wirkt ehrlich und unverklärt. Mut wird nicht romantisiert, Verletzbarkeit nicht beschönigt. Das Buch macht klar, dass Sichtbarkeit Konsequenzen hat, aber auch Chancen.

Unklar bleibt bewusst, wer dieser Mann ist. Vater, Onkel oder eine andere Bezugsperson lassen sich nicht festmachen. Diese Offenheit empfinde ich als Stärke, weil sie es ermöglicht, die Figur auf die eigene Lebensrealität zu übertragen, ohne sie festzulegen oder zu erklären.

Das Buch öffnet viele Gesprächsräume. Mit Kindern lässt sich über Selbstannahme sprechen, über das Anderssein, über Rollenbilder, über Akzeptanz. Themen wie Travestie, Homosexualität oder das Empfinden, im falschen Körper geboren zu sein, ergeben sich organisch aus der Geschichte, ohne belehrend zu wirken. Genau darin liegt für mich der pädagogische Wert. Das Buch richtet sich nicht ausschließlich an Kinder ab etwa sechs Jahren. Auch Jugendliche, die sich noch orientieren, oder Erwachsene, die sich früher nicht zeigen durften, können sich darin wiederfinden.

Die Collagen haben mir und meiner Siebenjährigen hingegen weniger gefallen. Sie transportieren zwar eindrucksvoll Zerrissenheit und Gewalt, bleiben aber stellenweise schwer verständlich. Einzelne Bildmotive wirken irritierend und nicht eindeutig einzuordnen. Das schmälert für uns den Zugang, auch wenn klar ist, dass hier bewusst mit Provokation gearbeitet wird. Letztlich bleibt das eine Frage des persönlichen Geschmacks und der individuellen

Auf meinem Instagramprofil gibt es einen kleinen Einblick ins Buch.

©2025 Mademoiselle Cake

buchige Daten:

Titel: Jo im roten Kleid
Text: Jens Thiele
Illustrationen: Jens Thiele
Verlag: Peter Hammer
Ersterscheinung: 2004
Genre: Bilderbuch
Altersempfehlung: ab 6
Medium: Hardcover
Rezension vom: 30.12.25

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