🍰✎ Britta Honeder - Tante Tillys Tod

Titel: Tante Tillys Tod
Untertitel: Ein Kinderfachbuch übers Abschiednehmen und Zu-Hause-Sterben-Dürfen
Text: Britta Honeder
Illustrationen: Mirella Herzina-Rusch
Verlag: Mabuse
Ersterscheinung: 2021
Genre: Kinderfachbuch
gelesen als: Hardcover
Rezension vom: 08.01.22



Klappentext:

Tante Tilly ist krank. Sterbenskrank. Eigentlich furchtbar traurig, gäbe es da nicht ihre Nichte Lisa und die ganze Familie. Bei ihr darf Tante Tilly leben bis zuletzt, mit Zu-Hause-Schwester, Müde-Medizin, aber vor allem Spritz-Kaffee­Kränzchen und viel Kuschel-Zeit! Und dann gibt es da all diese herrlich schrägen und liebevollen Ideen dazu, was passiert, wenn Tante Tilly keine Lebenskraft mehr hat …

Ein Kinderfachbuch über das Abschiednehmen und Sterben zu Hause, das nicht nur traurig sein muss, sondern auch lustige, schöne und bunte Momente haben darf. Mit viel Offenheit und Empathie ergänzen Fachteile für Groß und Klein die Geschichte.
Im Kinderfachteil wird Raum für ganz konkrete Fragen eröffnet und geholfen, das Gefühlskuddelmuddel zu entwirren. Das Abschiednehmen vor und nach dem Tod wird behutsam vorbereitet und durch Kreativität und praktische Tipps erleichtert.
Der Teil für Erwachsene gibt Anregungen, wie diese herausfordernde Situation mit Kindern thematisiert und gemeistert werden kann. Für Kinder ab 5 Jahren.



meine Meinung:

Als meine Uroma zu Hause starb, war ich 15. Ich begleitete sie bis zu ihrem letzten Atemzug. Sie hatte es sich damals gewünscht, zu Hause sterben zu dürfen. Zuerst waren die Verwandten dagegen. Ich durfte noch keine Stimme haben, ich war wohl zu jung. Zum Glück hat man sich letzten Endes doch dazu entschieden, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.

In "Tante Tillys Tod" erzählt Lisa, wie sie den Tod ihrer Tante miterlebt.

Dabei wird anfangs kindgerecht erklärt, was Krebs ist, warum Tilly die Haare ausfallen und was ist Lisas Vorstellung 'Bestrahlung' bedeutet. Nichts Kompliziertes und doch auf einer Ebene, die Kinder wirklich einbindet und nicht wegschiebt.

Wir erleben, wie alle der Sterbenden helfen wollen und dabei eins ganz besonders zählt:

"Darum geht es nämlich: da sein.
Auch wenn ich oder Mama [...] sonst nicht mehr viel tun können.
Da sein geht immer."

Dieses Gefühl hatte ich damals bei meiner Uroma ebenfalls: Sie wusste, dass ihr nicht mehr geholfen werden kann, aber sie wollte in einer ihr vertrauten Umgebung sterben, mit Menschen, die sie kennt. Ihr war es wichtig, dass ich da war, nicht, dass ich etwas Bestimmtes tat.

Im Buch wird auch Lisas Furcht vor dem Tod thematisiert. Ein ganz wichtiger Punkt. Ebenso, dass sie offen mit ihrer Tante darüber redet. (und später auch mit ihrer Mutter und dass beide Erwachsene diese Furcht gleichfalls zugeben) So finden sie Strategien, um sich gegenseitig Mut zu machen. 

Einen wunderschönen Gedanken finde ich, dass es ein 'Seelenschmetterlingsparadies' gibt. Das ist ein Regenbogen. Dort sind alle bunten Seelenschmetterlinge von verstorbenen Leuten. Und wenn er am Himmel zu sehen ist:

"Dann kann mich ihr Seelenschmetterling bestimmt gerade besonders gut sehen."

Mit Lisa wird sehr offen kommuniziert. So wird zum Beispiel über Tante Lillys Selbstbestimmung über lebenserhaltene Maßnahmen geredet und was der Sterbenden jetzt gerade wichtig ist.

"Sie findet, dass sie jetzt sterben darf.
Gesund kann sie nicht mehr werden, und vom Kranksein hat sie die Nase voll."

"Tante Tilly-Gesetz
§1 Das Recht des Menschen auf Kuscheln ist unantastbar.
§2 Jeder Mensch darf leben, bis er tot ist."

Zudem legt der Arzt ihr die Fakten auf den Tisch und redet nicht um den heißen Brei herum. Viele Erwachsene denken, sie müssten Kinder schonen, aber genau das ist in meinen Augen falsch. Die Kleinen spüren sehr wohl, wenn etwas nicht stimmt und fühlen sich gegebenenfalls alleine gelassen und ausgeschlossen.

"[...], hat er ganz ehrlich gesagt,
dass Tante Tilly wahrscheinlich nicht mehr so lange leben wird.
Vielleicht heute oder morgen noch."

"Ich mag unseren Arzt, weil er immer so ehrlich ist und mir echte Antworten gibt.
Bei anderen Erwachsenen merke ich ganz oft genau, dass sie mir irgendwas verheimlichen,
weil ich ja "nur" ein Kind bin. Das ärgert mich dann ziemlich und macht mich noch trauriger."

Auch das Abschiednehmen nimmt in dieser Lektüre einen großen Raum ein. Lisa darf vor dem Tod Abschiednehmen - als ihre Tante das noch mitbekommt - und ihr wird hinterher so viel Zeit mit der Toten (allein) eingeräumt, wie sie benötigt. Sie wird dabei jedoch nie sich selbst überlassen.
Beim Aufbahren dürfen Lilly und ihr kleiner Bruder ebenfalls helfen. Dort werden nochmal ehrlich Gefühle angesprochen, die damit einhergehen.

Im Anschluss gibt es einen 'Fachteil für Kinder' und einen 'Fachteil für die "Großen"'.
Im ersteren werden die Kleinen direkt angesprochen. Es wird viel über Gefühle geschrieben, es gibt zwei Mitmachseiten, auf denen gezeichnet werden kann, und vor allem werden die Kinder ermutigt. Ermutigt zu reden, zu fragen und zu den Gefühlen zu stehen.
Im zweiten Teil schreibt die Autorin "Ein Plädoyer für eine lebendige Sterbebegleitung". Etwas, was ich persönlich absolut unterschreiben kann und umsetzen werde, falls es von meinen Liebsten so gewünscht wird. Ich habe es schon einmal erlebt und es ist eines der wichtigsten Ereignisse in meinem Leben bis heute.

Dieses Buch bleibt bei uns, bekommt den Sonderstatus 'Sahnestückchen' verliehen und wird mir zu gegebener Zeit sicher eine große Hilfe sein.
Von mir gibt es auf alle Fälle eine Leseempfehlung an Leute, die sich entweder bereits in dieser Situation befinden oder (kleine) Kinder haben und sich auf eine solche Begebenheit vorbereiten wollen.
Der Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 5 Jahren. Bei entsprechender Begleitung ist dieses Werk auch schon 1, 2 Jahre früher einsetzbar.

"Lieber Tod!
Ich möchte mir ein Beispiel an dir nehmen.
Jedes Lebewesen ist dir recht.
Jedes Lebenswerk ist dir recht.
Jeden lässt du so sein, wie er ist,
nimmst ihn am Ende in den Arm
und machst ihn unsterblich."

©2022 Mademoiselle Cake

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