Rezension: Lilly Axster - Ich sage Hallo und dann NICHTS
Klappentext:
Nichts trifft Viel
Jecinta, 15, unauffällig, angepasst, kein Alleinstellungsmerkmal, das mittlere Kind, Eltern aus zwei Kontinenten, Afrobeat und Deutschrap, weder glücklich noch unglücklich, Kleidung am liebsten unisex, keine Klimaaktivistin aber gegen Plastikflaschen, kurz: ein einziges Dazwischen. So kann das nicht weitergehen. Wenn sich schon nichts im Leben tut, dann gleich ordentlich nichts. So lautet der Entschluss, selbst der Name muss dran glauben, wird zu einem Buchstaben verkürzt. J., englisch Jay also.
Als Nichts tut sich auch nicht viel mehr im Leben, bis auf ein paar anstrengende Gespräche mit Eltern und Lehrenden. Aber mit einer knallgelben Jacke und einer Person darin, die seit Kurzem in der Klasse ist, ändert sich alles: Leo, kurz für Leonie. Eine Person, die überallhin zu passen scheint, die bestimmte Fragen stellt und andere nicht, die in der einen Situation erschrickt und in einer ähnlichen ein anderes Mal nicht. Eine Person, die Vieles in sich zu vereinen scheint - und dies auch tatsächlich tut, in einer WG lebt, Betreuer:innen hat, so einiges schon erlebt und überlebt hat. Ein Nichts trifft also auf ein Viel.
Währenddessen zerbröselt zuhause ein für immer fix geglaubtes Gefüge - Trennung der Eltern, die ältere Schwester verkrümelt sich, der jüngere Bruder versucht auf seine Art, damit klarzukommen. Aus Nichts wird also Viel.
Ein intensiver Jugendroman über Identität, Gemeinschaft, Familienfragen, Freundschaft und Liebe.
meine Meinung:
Wo sind die Stimmen zu diesem Buch? Es ist seit einem halben Jahr auf dem Markt und mir begegnet es nirgends!?
Generell habe ich vorher noch nie etwas von der Autorin gehört ... und siehe da: Ihre Bücher werden kaum bis gar nicht besprochen. Das soll sich bei mir zumindest ab jetzt ändern. Ich werde sehen, ob noch mehr ihrer Werke (vorübergehend) bei uns einziehen können, denn "Ich sage Hallo und dann NICHTS" hat mich überzeugt.
Dabei hat es mir die Lektüre wirklich nicht leicht gemacht ...
Auf der einen Seite schmeißt die Autorin unheimlich viele Themen in den Raum: sozialtherapeutische Wohngemeinschaft, Dissoziative Identitätsstörung, Psychiatrie, Trennung der Eltern, Streit unter Freund*innen, Selbstfindung, erste Liebe, kranke Haustiere, ... (ich glaube, ich habe auch ein paar Themen vergessen, aufzuzählen) - und das Ganze auf ca. 200 Seiten.
Anfangs kam ich auch nicht gut in die Geschichte rein, weil ich mich erstmal an ihren Schreibstil gewöhnen musste.
Auf der anderen Seite zeigt die Autorin ein unheimlich gutes Feingefühl. Man erfährt zum Beispiel nie, wie es zur Multiplen Persönlichkeit kam. Es werden also keine Gewaltverbrechen ausgeschlachtet und Lesende müssen dahingehend nichts befürchten.
Der Fokus liegt ganz klar auf Jay - auf ihren Umgang mit all den Themen und mit sich selbst. Es ist ein Coming-of-Age-Roman, in dem sich sicher nicht viele wiederfinden, der Lesenden jedoch die Augen für die Welt da draußen öffnet.
Ich bin mir sicher, dass mir das Buch allein aufgrund der Thematik noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird, denn ein Jugendbuch darüber habe ich bisher nicht gelesen. Es ist mutig von der Verfasserin, aus der bequemen Schiene auszubrechen und auch solche Themen altersgerecht umzusetzen. Man merkt hier deutlich ihren Background.
Zudem war dies mein erstes Werk, was kein Sachbuch oder Ratgeber ist, welches gegendert hat. An der ein oder anderen Stelle empfand ich es im ersten Moment manchmal als nicht ganz passend. Doch das hat mich dazu gebracht, genauer darüber nachzudenken, warum es für mich nicht passt.
Dass ich über diesen Jugendroman gestolpert bin, war Glück. Ich hoffe, dass er noch ganz vielen Menschen in die Hände fällt und Gehör findet.
©2023 Mademoiselle Cake
buchige Daten:
Titel: Ich sage Hallo und dann NICHTS
Text: Lilly Axster
Verlag: Tulipan
Ersterscheinung: 2023
Genre: Jugendroman
Altersempfehlung: ab 14
Medium: eBook
Rezension vom: 11.12.23
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